Fluorkunststoff-Beschichtungen
Die Idee der industriellen Fluorkunststoff-Beschichtungen liegt mehr als 30 Jahre zurück. War das damals eine technische Sensation. Nicht weniger sensationell ist heute die Tatsache, daß der Siegeszug der Fluorkunststoffe andauert. Und es scheint, daß ihre Möglichkeiten unerschöpflich sind: Jahr für Jahr werden ihre Einsatzgebiete breiter, bzw. werden neue Anwendungen bekannt, wo Fluorkunststoff-Beschichtungen mit mindestens einem ihrer Vorteile zum Zuge kommen. Indem sie zum Beispiel Arbeitsabläufe sicherer oder überhaupt erst möglich machen. Oder Leistungen und Absatzmöglichkeiten steigern. Oder indem sie das alles zusammen bewirken. Und doch wäre es falsch, Fluorkunststoff-Beschichtungen als magische, omnipotente Wundermittel zu verkaufen.
Was leisten Fluorkunststoff-Beschichtungen für welchen Zweck?
Das sagt schon, daß es die „Eine-für-alles-Beschichtung“ nicht gibt. Zu beurteilen ist stets der Einzelfall. Bei einer Empfehlung läßt sich der qualifizierte Fachmann ausschließlich von technischen Gesichtspunkten leiten, und nicht von einem Beschichtungsmaterial, das gerade „in“ ist.
So vielschichtig die Problemlösungen mit Fluorkunststoffen sind, so vielschichtig präsentieren sich dem Techniker auch ihre materialspezifischen Eigenheiten bei der Verarbeitung. So sind zum Beispiel! Beschichtungen für den chemischen Korrosionsschutz nicht mit Kunststoff-Auskleidungen gleich zu setzen. Denn die chemische und thermische Beständigkeit von Fluor-Plasten in ihrer Form als Kunststoff, ist keineswegs identisch mit einer Beschichtung aus dem gleichen Stoff.
Ein Beschichtungsunternehmen mit Ehrgeiz wird sich immer der Mühe unterziehen, beschichtete Teile auf ihre chemische- Beständigkeit bei bestimmten Temperaturen zu testen. Die Werte, die dabei zu Tage kommen, unterscheiden sich ganz erheblich von den Werten des reinen Kunststoffes. Und zwar weniger in der Beständigkeit gegenüber Chemikalien, als vielmehr in der noch möglichen Arbeitstemperatur.
Obwohl ETFE-Beschichtungen z. B. für den chemischen Korrosionsschutz in der Hand des erfahrenen Beschichters optimale Problemlösungen innerhalb bestimmter Grenzen bringen, sind Arbeitstemperaturen von über 100 °C mit ETFE oder ähnlichen Materialien absolut kritisch.
Ein sehr spezielles Problem von Fluorkunststoff-Beschichtungen ist die Fähigkeit, ihren Poreninhalt (z. B. Feuchtigkeit, Chemikalien, Öl, etc.) unter normalen Druckverhältnissen hindurchfließen zu lassen. Dieses Phänomen wird als Permeabilität oder hydraulische Leitfähigkeit bezeichnet. Jeder Kunststoff hat seinen spezifischen Permeabilitätswert; beim einen ist er höher, beim anderen niedriger. Der wichtige – weil beeinflussbare – Faktor ist in diesem Zusammenhang die Schichtstärke. Die Abbildung 1 zeigt die Permeabilität in Funktion der Schichtstärke. Sie wurde mit 35%iger Salzsäure bei 60 °C gemessen. Aus dieser Kurve ist eindeutig zu ersehen, daß die Permeabilität erst ab einer Schichtstärke von 600 u nicht mehr von Bedeutung ist. Besonders aber in der Chemie gilt die Weisheit, daß eine Kette nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied. Im Falle einer Beschichtung ist das also ihre dünnste Stelle. Am Beispiel eines beschichteten Großbehälters zeigt die Praxis, daß bei einem Minimalwert von 800 \l durchaus auch partielle Schichtstärken von 2000 u, und mehr auftreten.
Ein weiteres, ebenfalls spezifisches Übel ist die Dampfdiffusion. Das heißt, die Neigung gasförmiger Moleküle, die Kunststoffschicht zu durchdringen und das Trägermaterial anzugreifen. Die Abb. 2 stellt das komplexe Problem am Beispiel der Wasserdampf-Diffusion dar. Vereinfacht beschreibt die folgende Formel den Grad der Dampf-Diffusion:
Bei Kunststoff-Auskleidungen (löst man das Problem primär durch eine Verstärkung der Schichtstärke. Häufig bis 5 mm. Bei Beschichtungen ist die Verstärkung des Faktors „L“ wie schon gesagt, nur bedingt möglich (etwa bis zu 1000 u.). Deshalb ist man gezwungen, auf alternative Einflußfaktoren einzuwirken. Die Abbildung 3 zeigt, daß die Dampfdruckdifferenz (AP) exponential abhängig ist von der Temperaturdifferenz (AT). So hat zum Beispiel ein Reaktor mit einer Arbeitstemperatur von 100 °C und einer Außentemperatur von 20 °C ein AT von 80 °C. Das heißt, die Beschichtung ist stark diffusions gefährdet. Um den Wert AT zu senken, empfiehlt es sich in diesem Fall, die Außenwand des Reaktors zu isolieren. Versuche haben gezeigt, das ein AT-Wert von 60 °C nicht überschritten werden sollte.
Schichtstärken wachsen nicht in den Himmel
Selbst das Verfahren, mit dem die Beschichtung aufgetragen wird, muss den schon zitierten materialspezifischen Eigenheiten von Fluorkunststoffen Rechnung tragen. Bewährt hat sich das elektrostatische Auftragen. Das materialspezifische Problem ist hier, daß Kunststoff ab einer gewissen Schichtdicke isolierend wirkt und als Folge die Elektrostatik ausschaltet. Schichtdicken sind also schon deshalb nicht beliebig zu steigern. Aber auch bei Materialien, die pulverförmig aufgetragen und dann verschmolzen werden, läßt sich die Physik nicht „aushebeln“. Denn ab einer bestimmten Stärke folgt der Fluorkunststoff beim Einsintern (also in seiner Schmelzphase) den Gravitationsgesetzen: Er flieSt vom Trägermaterial ab. Allerdings kann man durch Ideen die physikalischen Gesetzmäßigkeiten ein wenig „biegen“: Um auch gewünschte dickere Schichten zu stabilisieren, baut der Techniker mechanische Stützen ein. Wenn die nun noch so beschaffen sind, daß sie als Zusatzeffekt die unerlässliche Elektrostatik erhalten, ist das in der Tat ein Beweis von tiefergehendem Know-how.
Grundsätzlich können zwar fast alle geometrischen Formen beschichtet werden. Dennoch hat sich gezeigt, daß es vorteilhaft ist, wenn auf Kundenseite schon bei der Konstruktion eines Teils auf bestimmte Voraussetzungen geachtet wird. So sollten alle Ecken und Kanten abgerundet und mit einem Radius von ca. 10 mm, mindestens aber 5 mm versehen sein. Idealerweise sollte auch vermieden werden, den Träger einer Beschichtung mit unterschiedlichen Wandstärken zu konstruieren.
Korrosionsschutz mit PFA
Dieser Fluorkunststoff kommt da zum Einsatz, wo ETFE als Schutzschild nicht mehr widerstandsfähig genug ist. PFA-Beschichtungen lassen sich mit Schichtstärken bis zu 1000 u. auftragen. Es wäre schön, abschließend sagen zu können, daß PFA bezüglich hochtemperiertem Korrosionsschutz die Antwort auf alle Fragen ist. Aber auch hier gilt wieder das anfangs gesagte: Es kommt auf sorgfältiges Abwägen der Einsatzbedingungen an. Denn ohne Know-how wird’s statt neuer Technik nur ein verfahrenes Verfahren.